Mein Konzept

Emotionen sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Sie motivieren unser Handeln, steuern den Gefühlsausdruck, regulieren die Interaktionen mit anderen Menschen und nehmen auf unser Gedächtnis, unser Denken und unsere Entscheidungsfindung Einfluss. Emotional kompetent mit seinen Gefühlen umzugehen stellt zudem ein wesentliches Fundament dar, wenn es sich um die psychische Widerstandsfähigkeit handelt. Von exakt dieser Fähigkeit kann es abhängen, ob ein Mensch von den Stürmen des Lebens in die Knie gezwungen wird oder ob er in sich einen unverwüstlichen Kern findet, um diese Herausforderungen nicht nur zu überstehen, sondern auch noch gestärkt aus ihnen hervorzugehen.

Die gute Nachricht ist, dass jeder Mensch von Geburt an fähig ist, seine Emotionen auszudrücken.

Durch das aktivierte Bindungsverhalten des Kindes, einem inneren Regulationssystem zur Steuerung von Nähe und Sicherheit, werden bindungsrelevante Emotionen ausgedrückt, wenn das Kind sich in seinem Sicherheitsbedürfnis bedroht fühlt. Anhand des Fürsorgeverhaltenssystems seiner Bezugspersonen, also den spezifischen Reaktionen auf die kindlichen Emotionen, werden die kindlichen Gefühle zunächst ko- reguliert, so dass die Mädchen und Jungen dadurch bestenfalls wieder in ihr Gleichgewicht zurückkehren und sich der Auseinandersetzung mit sich selbst und ihrer Umwelt widmen können. Durch die sich ständig wiederholenden Interaktionen zwischen den Bezugspersonen und dem Kind bildet sich schließlich ein sogenanntes internales Arbeitsmodell heraus, welches das Herzstück der inneren Organisation im Gehirn darstellt. Es beinhaltet das Wissen über eigene Handlungsmöglichkeiten und Erwartungen an das Verhalten der Erwachsenen. Aber es beinhaltet ebenso emotionale Schemata und Emotionsregulationsstrategien, die es durch die Reaktionen seiner Bezugspersonen internalisiert hat.

Welche Verantwortung tragen wir als Erwachsene in den Begegnungen mit Kindern?

Jeder Mensch ist evolutionsbedingt in der Lage, mit der Geburt seines Kindes, feinfühlig auf dessen Bindungsverhalten und somit optimal auf dessen Emotionen reagieren zu können. Und auch als pädagogische Fachkraft ist man fähig, im Sinne des Konzeptes der Feinfühligkeit nach Ainsworth, die Signale der Mädchen und Jungen wahrzunehmen, sie richtig zu interpretieren und angemessen darauf zu reagieren. Und obwohl von einem evolvierten, intuitiven Programm bezüglich dieser Reaktionen auf emotionale Ausdrucksweisen der Kinder die Rede ist, kann diese Fähigkeit unter ungünstigen Umständen leicht beeinträchtigt oder sogar vollkommen gehemmt werden:

  1. In über 30 Jahren Stressforschung wurde nachgewiesen, dass hoher und langandauernder Stress eine Palette von ungünstigen Auswirkungen sowohl auf das betroffene Individuum als auch auf dessen soziales Umfeld aufweist. Stressforscher haben nachgewiesen, dass Stress mit einer geringeren emotionalen Verfügbarkeit für die Mädchen und Jungen einhergeht. Daraus lässt sich schließen, dass durch das Erleben hoher Anforderungen und der damit verbundenen Freisetzung an Stresshormonen im Gehirn, die Feinfühligkeit gegenüber dem Ausdruck von kindlichen Emotionen schwinden kann.
  2. Aber auch eigene, frühkindliche Beziehungserfahrungen mit all ihren Prägungen stellen einen erheblichen Einflussfaktor dar, der sich ungünstig auf die eigenen Reaktionsmuster in emotional herausfordernden Situationen mit Kindern legen kann. Auch wir als Erwachsene dürfen demnach wieder lernen zu fühlen, so dass wir die Mädchen und Jungen optimal durch die lebendige Vielfalt ihrer Emotionen begleiten können und dabei selbst ein persönliches Wachstum erleben werden.

Auf den Punkt gebracht…

Anhand der bisherigen Ausführungen wird ersichtlich wie bedeutsam die Fähigkeit der Erwachsenen ist, sich in die Perspektive der Mädchen und Jungen hineinversetzen zu können. Empathisch zu sein heißt nicht, dass wir die gleiche Sichtweise haben müssen, sondern ein Dasein, das vermittelt „Ich sehe dich und ich kann dich aus deiner Perspektive so sehr verstehen!“.

Wenn wir möchten, dass unsere Kinder sich zu emotional intelligenten und psychisch gesunden Mädchen und Jungen entfalten, dürfen wir damit beginnen, ihnen zu erlauben, alle Facetten an Emotionen offen zeigen zu dürfen. Ein Gefühl zu fühlen ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sich dieses Gefühl in uns bewegen und dann schlussendlich als Kraft wirken kann. Zudem können Gefühle der Freude und des Glücks nur in einer inneren Umgebung gedeihen, in der tatsächlich alle Gefühle lebendig sein dürfen. Wir dürfen die Kinder darin bestärken, sich selbst mit allen Details wahrzunehmen und ihnen ein Repertoire an Resilienz fördernden Emotionsregulationsstrategien an die Hand zu geben.

Aber besonders bedeutsam und heilsam bei meinem Konzept der Emotionsbewegung ist der Aspekt, dass wir als Erwachsene verstehen dürfen, dass auch wir Menschen mit Emotionen und Bedürfnissen sind. „Ja, ich selbst bin empfindsam und das ist auch gut so. Wenn ich empfindsam bin, ist mein Herz weit geöffnet.“ Diese Form der Beziehungsgestaltung zeigt meinem Gegenüber, dass auch ich ein Mensch bin, der dazu fähig ist, verletzt, enttäuscht oder entmutigt zu sein. Und genau diese Haltung ebnet den Weg für echte Begegnungen auf Augenhöhe, in denen die Integrität eines jeden Einzelnen gewahrt wird. Wie gehen wir als Menschen miteinander um und wie gut gelingt es uns, einander in Würde zu begegnen, so dass sich jeder zur besten Version seiner Selbst entwickeln kann- und zwar in allen Höhen und Tiefen, die das Leben bereit halten kann…